Lässig ein paar Mails schreiben, während das Kind fröhlich glucksend auf einer Decke liegt, zwischen Spaziergang und Windelkauf noch schnell einen neuen Auftrag an Land ziehen, Video-Calls, wenn das Baby seinen Mittagsschlaf hält… In der Theorie gleicht das Freelancen während der Elternzeit einer gut gestylten LinkedIn-Kampagne, doch wie gestaltet sich die Praxis? (Wie) Kann es funktionieren, „nebenbei“ selbstständig zu arbeiten, während man „hauptberuflich“ für einen Säugling verantwortlich ist? Machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach Antworten.
Rechtliche Rahmenbedingungen beachten
Egal, ob du schon vor der Geburt deines Kindes als Freelancer:in gearbeitet hast oder die Babyphase nutzen möchtest, um dich selbstständig zu machen, in jedem Fall gilt: Während der gesamten Elternzeit darfst du maximal 30 Stunden pro Woche lohnarbeiten.
Falls du bisher in Festanstellung gearbeitet hast und nun mit dem Gedanken spielst, in deiner Elternzeit als Freelancer:in tätig zu sein, musst du definitiv mit deinem Arbeitgeber oder deiner Arbeitgeberin sprechen – entweder, um eine mögliche Nebentätigkeit genehmigt zu bekommen (ja, du brauchst hierfür die Erlaubnis deines Unternehmens) oder um die Kündigung einzureichen.
Auch deine Krankenkasse solltest du über den beruflichen Umbruch informieren.
Wenn du Elterngeld beziehst, musst du außerdem Folgendes wissen:
- das Basiselterngeld hat keine Freibeträge, d.h. alles, was du zusätzlich verdienst, wird angerechnet, wodurch sich das Elterngeld verringert
- beim Bezug von Elterngeld Plus werden 50 % deines Nettoeinkommens aus der Zeit vor der Geburt als Freibetrag nicht angerechnet, alles darüber hinaus hingegen schon
Last but not least solltest du zur Schaffung idealer rechtlicher Rahmenbedingungen den Unterschied zwischen Freiberuflichkeit und Gewerbe kennen, um den korrekten Weg in die Selbstständigkeit zu wählen. Es ist ein Irrglaube, dass jede:r Freelancer:in automatisch auch Freiberufler:in ist. Stattdessen gibt es durchaus Freelance-Branchen, in denen du ein Gewerbe anmelden musst.
Vorteile und Nachteile vom Freelancen während der Elternzeit
Vorteile | Nachteile |
hohe Flexibilität & Freiheit | nicht für alle Freelance-Tätigkeiten geeignet (Fotografie, Tontechnik, Masken-/Bühnenbild etc.) |
Aufstockung vom Elterngeld | zusätzliche Belastung |
sinnhafter Ausgleich zur Carearbeit | eventuell weniger Zeit mit dem Kind |
Karriere-Upgrade | Start in die Selbstständigkeit „mit angezogener Handbremse“ |
Selbstverwirklichung | bei Kündigung der Festanstellung: Aufgabe des Sicherheitsnetzes |
Umorientierung/Neuanfang möglich | zusätzlicher Aufwand durch Buchhaltung |
fortlaufende Berufspraxis |
Bietet die Elternzeit einen guten Start in die Selbstständigkeit?
Die Elternzeit ist eine gute Ausgangssituation für erste Schritte in der Welt des Freelancens – vorausgesetzt du hast in deiner Branche die Möglichkeit, vom Schreibtisch/Küchentisch/Sofa aus zu arbeiten. So kannst du die Zeit, die du mit Baby zuhause verbringst, beispielsweise nutzen, um
- Administratives zu erledigen (z. B. Anmeldung deiner Selbstständigkeit, Preiskalkulation, etc.)
- dich (digital) zu vernetzen
- deine Webseite inkl. Blog aufzubauen
- Social Media-Kanäle mit ersten Inhalten zu bespielen und eine Community aufzubauen
- dich zu informieren und zu recherchieren
- Akquise zu betreiben
- erste Aufträge an Land zu ziehen
In 19 Kapiteln verrät dir mein Buch „Freelancer:in werden – Von den Grundlagen bis zum Fachwissen“ alles, was du über diese Form des Arbeitens wissen musst. Egal ob Anforderungen und Herausforderungen, Steuern, Buchhaltung und Altersvorsorge oder Kundenakquise, Marketing und Preisgestaltung – das branchenübergreifende Nachschlagewerk gibt dir die Antworten auf all deine Fragen.
Praxistipps für Freelancer:innen in Elternzeit
Ich selbst habe zwei Kinder zur Welt gebracht und zweimal während der Elternzeit als Texterin gefreelanct. Während dieser Phasen hatte ich reichlich Gelegenheit, um herauszufinden, welche Strategien, Tipps und Tricks gut funktionieren und welche in der Theorie zwar gut klingen, in der Praxis jedoch unbrauchbar sind. Hieraus entstanden meine ganz persönlichen Tipps für (frischgebackene) Freelance-Eltern.
#1 Druck raus nehmen
Tschüss Perfektion, hallo Akzeptanz. Wer in der Elternzeit freelancen möchte, sollte von Anfang an so viel (Erwartungs-)Druck wie möglich heraus nehmen. Es ist vollkommen normal, dass du hin und wieder Deadlines verschieben, Aufträge absagen und Erwerbs- gegen Carearbeit tauschen musst – immerhin bist du Mutter oder Vater eines Säuglings!
#2 Arbeitszeitfenster optimal nutzen
Arbeiten wenn das Baby schläft klingt in der Theorie erst einmal großartig. Doch weißt du auch gleich, was zu tun ist, sobald der Nachwuchs die Augen schließt oder suchst du erst einmal 20 Minuten Zerstreuung am Smartphone?
Sobald sich ein Zeitfenster fürs Freelancen öffnet (nicht nur durch Schlaf, sondern auch wenn das Baby beispielsweise durch Partner:in oder Großeltern betreut wird oder gedankenverloren spielt), solltest du stets genau wissen, was gerade ansteht und erledigt werden muss. Damit sind wir direkt bei Tipp #3.
#3 Prioritäten setzen
Als Freelancer:in in Elternzeit wirst du nicht auf x Hochzeiten gleichzeitig tanzen können. Um dennoch beruflich voran zu kommen, solltest du daher gut priorisieren und somit festlegen, was (gerade) wichtig ist und was warten kann. (Spoiler: Dein Kind wird immer Platz 1 einnehmen und das ist auch gut so!)
#4 Routinen schaffen
Nicht nur Babys, sondern auch Freelance-Eltern lieben Routinen, denn sie
- geben dem Tag Struktur
- helfen dir dabei, nicht den Fokus zu verlieren
- ermöglichen streckenweise das Funktionieren mit „Autopilot“
- fressen weniger Ressourcen als stetig wechselnde Abläufe
Wichtig ist, dass die Routine nicht nur zu deinem Alltag passt, sondern auch zu dem deines Babys. Nicht vergessen: Ihr beiden seid ein untrennbares Team.
#5 Flexibel bleiben
So sinnvoll Routinen und sich wiederholende Abläufe für Freelancer:innen in Elternzeit auch sind, ebenso unverzichtbar ist es, stets flexibel zu bleiben und spontan auf die weltberühmten Planänderungen reagieren zu können. Wie das funktioniert, wird dir dein Kind schon beibringen…
#6 offen kommunizieren
Manche Freelancer:innen neigen dazu, ihrer Kundschaft gegenüber Privates, beispielsweise Kinder, zu verschweigen, weil sie denken, dadurch professioneller zu wirken. Ich persönlich halte nicht viel von dieser Herangehensweise (auch wenn das natürlich jeder handhaben darf, wie er oder sie möchte) und plädiere viel lieber für eine offene Kommunikation.
Das Verständnis von Seiten der Kund:innen für freelancende Eltern ist in der Regel groß. Die meisten, mit denen ich über den Struggle von Arbeit „versus“ Familienleben gesprochen habe, durchleben ihn entweder gerade genauso oder erinnern sich an diese intensive Zeit zurück oder haben gerade jemandem im Umfeld, der Ähnliches berichtet. Sprich: You are not alone!
Lese-Tipp: Ich habe schon einmal über das Thema „selbstständig mit Baby“ gebloggt und in diesem Artikel noch weitere Tipps, Learnings und „Überlebensstrategien“ zusammengefasst. Außerdem findest du dort ein umfassendes Q&A.
Kind oder und Karriere
Ich habe die Erfahrung gemacht: Freelancen während der Elternzeit funktioniert. Natürlich kann diese Aussage nicht verallgemeinert werden, hängt sie doch von vielen verschiedenen Faktoren wie Aufgabenfeld, Motivation und (nicht zuletzt!) Anzahl der Stunden Schlaf pro Nacht ab.
Dennoch bleibe ich bei meiner Einschätzung, dass sich Kind und Karriere nicht per se ausschließen, sondern (zumindest phasenweise) eine friedliche Coexistenz stattfinden kann, wenn du dich für den Weg des Freelancens entscheidest.